Imaginative Realism – Zeichnen, was es in der Wirklichkeit nicht gibt


Vor vielen Jahren wurde mir ein Buch von James Gurney empfohlen, zum Thema Farbe und Licht in der realistischen Malerei. Ich habe das Buch damals bestellt und es stand lange ungenutzt im Regal, bis vor einigen Monaten, als ich es wieder ausgegraben und studiert hatte.

Kürzlich habe ich dann erfahren, dass es vom gleichen Autor auch ein zweites Buch gibt, „Imaginative Realism“, also, wie man Dinge realistisch zeichnet, die es in Wirklichkeit nicht zu sehen gibt, und die man rein aus der Vorstellung abbilden muss.

https://www.amazon.de/Imaginative-Realism-Paint-Doesnt-Gurney/dp/0740785508

Mit knapp 20 Euro ist das Buch erstaunlich preiswert. Andere Fachliteratur kostet deutlich mehr – und so habe ich es bestellt und vor einigen Wochen dann auch erhalten.

Hier nun mein Eindruck als Hobbymaler: Das Buch ist sehr interessant und deckt einen riesigen Themenbereich ab, von Landschaft über Architektur und Technik bis hin zu Mensch, Tier und allen möglichen Fantasiegestalten. Der Autor geht auch kurz auf die Histore der fantastischen Malerei ein, und zeigt, dass es zu allen Zeiten einen Bedarf gab, Szenen darzustellen, die zumindest zu der Zeit nicht aus der Wirklichkeit entnommen werden konnten, sondern nur aus der Vorstellung, bzw. nach historischen oder episch-mystischen Erzählungen und Berichten gefertigt werden mussten.

Was es vor allem zeigt ist, wie viel Aufwand manche Maler in ein gutes Bild stecken. Nicht nur in die tatsächliche Malerei, sondern in die Zeit davor, was alles studiert wird, mit Modellen, Kostümen, Figuren und auch was der Maler selbst alles unternimmt, um ein Verständnis für das zu entwickeln was er darstellen will. Eine nette Szene ist z.B. wie er in der Garageneinfahrt mit einem Stoßbesen posiert und sich dabei fotografieren lässt, um Vorlagen für Studien eines Zahnpflegeassistenten für einen Drachen zu gewinnen. Schüchtern vor den Nachbarn darf man da nicht sein.

Im Internet gibt es leider nur das Ergebnis, nicht die Fotostudie, die im Buch zu sehen ist:

https://gedankenweber.wordpress.com/wp-content/uploads/2017/10/11cf5-tumblr_llgpd88yrc1qe8ohqo1_500.jpg

Interessant sind auch die Serien kleinformtiger, relativ grober Skizzen, die der Autor macht, um ein besseres Verständnis für eine Szene zu entwickeln, und in denen Variationen der Szene ausprobiert werden, bis eine gute Komposition gefunden ist – oder klar wird, dass es so nicht funktioniert.

Passend dazu, Farbstudien – sobald die Komposition ermittelt ist, werden farbklecksartig die Hauptbereiche koloriert, um zu sehen, wie verschiedene Farbkombinationen in dieser Szene wirken.

So in etwa, wie man in der technischen Forschung und Entwicklung erst einige Prototypen baut, um damit zu üben und Erkenntnisse zu gewinnen, bis man sich dann mit den gewonnenen Erkenntnissen an das endgültige Design macht. Also nicht wirklich neu von der Idee her, aber ich wusste nicht, dass auch Künstler diesen Weg gehen können oder sollten – für mich als Laie jedenfalls ein interessanter Einblick, wie sich ein Profi auf ein Werk vorbereitet, und für mich persönlich sehr hilfreich, weil ich diese Schritte gut nachvollziehen kann.

Teilweise fertigt der Autor sogar kleine Skulpturen, z.B. wenn er für eine Serie von Bildern sicherstellen will, dass eine Figur immer gleich aussieht. Die Skulptur dient dann als Referenz. Bei dieser Idee bin ich allerdings unsicher, ob der Nutzen der Skulptur den Aufwand überwiegt, aber gut zu wissen, dass auch ein Profi nicht alles „aus dem Kopf“ malen kann, sondern das Ding „in echt“ betrachten möchte, um es richtig darstellen zu können.

Im Vergleich zu Gurneys anderem Buch über Farbe und Licht ist dieses Buch auf einer viel höheren, übersichtsartigen Ebene angesiedelt, und gibt nur verhältnismäßig wenig Tipps wie man jetzt tatsächlich mit Pinsel und Farbe diesen oder jenen Effekt erzielt. Für mich ist es jedoch genau richtig, weil ich sehe, dass ich in vielen Aspekten einfach nicht die richtige Vorstellung davon hatte, wie ein Maler arbeitet, und was alles gemacht wird, bevor das eigentliche Bild dran kommt. Ich frage mich nur: warum haben meine Kunstlehrer in der Schule nie davon erzählt? Das wäre doch wichtig gewesen …

Ebenfalls spannend ist das erste Kapitel, mit vielen hilfreichen Tipps, wie man eine Malwerkstatt einrichtet und seine Utensilien organisiert. Auch wenn ich das nicht so umsetzen kann, weiß ich jetzt wie es im besten Falle aussehen sollte oder könnte.

Das Buch ist gut lesbar geschrieben, hat viele tolle Beispiele, der Autor ist selbst Maler und berichtet aus seiner Erfahrung, und es hat so viele Informationen, dass ich nach ein zwei Seiten erst mal Pause machen muss, um das alles noch mal zu durchdenken. Das ist ein Buch das man über Wochen und Monate immer wieder mal studieren muss, bis man alle Details aufgenommen hat. Für mich noch ein Bonus – ich bin schon immer Dinosaurier- und Drachenfan gewesen, somit kommen mir die Beispiele im Buch sehr entgegen und sind inspirierend.

Hier noch ein Beispiel – zur Zeit meine Lieblingsszene aus dem Buch:

http://artnectar.com/wp-content/uploads/2010/06/james_gurney_the_excursion.png

Allerdings muss ich sagen, der Titel kann auch falsch verstanden werden – wer eine Einführung in Maltechniken erwartet, um in höchster Qualität realistisch zu malen, wird enttäuscht – der Autor setzt diese Fähigkeiten einfach voraus. Sein Fokus liegt auf dem Weg zum Bild, in der Recherche und dem Studium aller Details, so dass ausser den eigenen handwerklichen Fähigkeiten einem bestmöglichen Ergebnis dann nichts mehr im Weg steht.

Mein Fazit: Der Kauf hat sich gelohnt, das Buch öffnete mir eine ganz neue Sicht auf die Malerei und hat mir unzählige neue Einsichten ermöglicht, wie man durch bessere Vorbereitung zu einem besseren Bild gelangt. Und das ganz unabhängig davon, ob man wie Herr Gurney mit Öl arbeiteit, oder mit einem anderen Medium. Die 5 Sterne Bewertung auf Amazon ist gerechtfertigt.

Lesetipp: Kritisches zu LehrerInnen, Jungen und Mädchenförderung


Auch wenn ich mit Herrn Klein von den Science-Files persönlich nicht kann, er bringt immer wieder gute Artikel. Hier etwas, das als Rundumschlag gegen die Frauenförderung verstanden werden kann, aber interessanterweise viele Quellen zitiert, die genau diese Aussagen belegen.

Sinnlose Zerstörung: Mit dem Staatsfeminismus in die Armut

Ein Punkt, der mir in diesem Zusammenhang nicht gefällt ist, dass der „gesellschaftliche“ Nutzen von Ausbildung lediglich daran gemessen wird, wie viel an Steuern zusätzlich eingenommen werden kann, wenn die Ausgebildeten dann auch gemäß der Ausbildung berufstätig werden. Aber Ausgaben/Einnahmen sind im Gegensatz von anderem gesellschaftlichen Nutzen eindeutig fassbar, somit ist es verständlich, dass Einnahmen und Ausgaben hier als Basis genommen werden – das ist wenigstens eindeutig Belegbar und der Diskussion insofern förderlich, dass der Punkt nicht strittig ist.

Persönlich würde ich mir dennoch wünschen, wenn man noch andere Aspekte einer besseren Ausbildung im Sinne von gesellschaftlichem Nutzen quantifizieren könnte, und das Bild damit abrunden. Da ich mir allerdings selbst schwer tue, nur einen einzigen solchen Aspekt klar zu benennen, fürchte ich, das wird nix. Eines kann ich jedoch aus eigener Erfahrung sagen – ab dem Punkt, an dem Eltern beginnen zu sagen „Das kann ich Dir auch nicht erklären“ oder „Das habe ich nie gelernt“, wird Schule ein ganzes Stück schwerer. Zumindest indirekt müsste sich die Ausbildung der Eltern also im besseren Lernerfolg der Kinder niederschlagen.

 

Frauenfortbildung bringt weniger als Männerfortbildung?


Science Files titelt: „Frauenförderung lohnt sich nicht: Gesellschaftlicher Nutzen tertiärer Bildung für Männer dreimal so hoch“

Frauenförderung lohnt sich nicht: Gesellschaftlicher Nutzen tertiärer Bildung für Männer dreimal so hoch

Ein interessante Fragestellung, sicherlich. Leider werde ich aus der OECD Studie, die als Grundlage dieser Schlussfolgerung dient nicht richtig schlau.

Was mich jetzt beschäftigt, ist die Frage: Wie kommt das? Was genau ist gesellschaftlicher oder privater Nutzen einer Fortbildung, und warum scheinen Männer so viel mehr Nutzen aus einer Fortbildung zu ziehen?

Sogar der private Nutzen, also Fortbildungen, die man nur für sein eigenes Interesse absolviert, ist bei den Männern nach dieser Studie etwa um den Faktor 1.7 höher als bei Frauen. Ich hatte zumindest hier, beim privaten Nutzen, einen Wert nahe bei der 1.0 erwartet. Ich vermute, die Erklärung liegt darin, wie der Nutzen gemessen und bewertet wird … im Moment versuche ich mich als Künstler weiter zu entwickeln, der „Nutzen“ daraus, z.B. von dem, was ich für Fachliteratur und Kurse ausgebe, lässt sich aber in Euro nicht beziffern, da ich mit meiner Kunst auf absehbare Zeit kein Geld verdienen werde. Für mich persönlich ist ein Nutzen dieser Ausgaben aber sichtbar, meine Bilder und Grafiken werden besser.

Wieder mal so ein Rätsel …

PS: Hier wird es ein bischen klarer, zumindest der sogenannte gesellschaftliche Nutzen:

http://www.danisch.de/blog/2017/10/01/kosten-und-nutzen-der-frauenfoerderung/

Das ist also die Quote an Ausbildungskosten zu Steuer(mehr-)einnahmen durch die Arbeit der Ausgebildeten. Wie sich der private Nutzen errechnet bleibt aber auch hier offen.

Das auf die Steuereinnahmen zu reduzieren und dann von gesellschaftlichem Nutzen zu sprechen scheint mir etwas schräg. Kunst und Kultur bringt sicher nicht viel Steuereinnahmen, wurde aber fast immer als gesellschaftlich wertvoll betrachtet. Gesang und Musik, Schauspiel, Theater, Akrobatik, Lyrik, Prosa, Poesie … wenn wir nur noch Techniker und Ingenieure Fördern weil die am meisten Steuern abführen, dann wird das Leben aber ganz schön öde.